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Deutsch-Walisische Ver-Ifiktion
Ver-Ifiktionales Vorwort
Ver-Ifiktion versteht sich als Deutsch-Walisische Freundschaft zu den Vorsilben. In vorsilbiger Freundschaft geben wir unsere Sprachmacht auf, um uns einander zu versuchen, in der Sprache, als Sprache. Wir, uns Freunde, wollen dabei Fremde sein, denn nur so können wir in der Sprache suchen.
Ich bin des Deutschen mächtig. Hesen muss mich auf Abwege des Deutschen führen, entmachten, damit ich das Deutsche ersuchen kann. Zugleich besuche ich das Walisische, zu dessen Freundschaft ich mich selbst erkoren habe, in einem glorreichen und bis heute schillernden (Die Räuber) instituierenden Akt. Instituieren verstehe ich – als eine des Deutschen Mächtige – als ein von sich selbst Fortbewegen. Daher mein Aufenthalt im Walisischen – mir Fremdsprache –, daher der Versuch einer Unterredung (= Dialog) mit Hesen.
Hesens Muttersprache ist Kurdisch. Eine Fremdsprache ist ihm also das Deutsche, das er erst seit 2018 lernt. Die deutsche Sprache ist ihm, so romantisiere ich es (Germanisten, bitte denken an Brentano, Kleist, Schlingensief) eine Freundin, denn er hat ihr zu vertrauen, lauern doch überall Schlingen. Jede Fremdsprache stellt ständig Fallen, die nur auf den Sprachkarten von Muttersprachlern verzeichnet sind. Und doch, wir wissen: Nur eine Schlinge bringt den Sieg und wir müssen uns selber Fallen stellen. Daher unser Motto:
Wir wollen uns Schlingen stellen, wollen uns versprechen. Das heißt also, wir wollen uns nichts versprechen, außer uns selbst. Denn im Versprechen zeigt sich uns die Sprache. Die Schlingen, die sie birgt, sind nämlich Fallen, die sie sich selbst gestellt hat, in die sie aber nur mit uns, in uns, durch uns tappen kann. Die Sprache kann also nur einen Schlingen Sieg verbuchen, wenn sie uns in der Falle ertappt. Denn man tappt immer blind, und blind ist die Sprache gegenüber sich selbst, und Licht fällt nur durch Schlingen ein. Unser Versprechen gilt also nicht nur uns selbst, sondern auch der Sprache.
Hesen also für die deutsche, ich für die walisische Sprache. Und dem hatte sich die Deutsch-Walisische Freundschaft im Moment ihres Instituierens doch schließlich auch verschrieben.
Mein Aufenthalt im Walisischen ist stets nur Stippvisite. Also stets (von Dauer) und doch ephemer (flüchtig), denn ich berichte von meinen Abenteuern dort (des Walisischen) in der Sprache, die ich meistere, dem Deutschen.
Hesens Aufenthalt im Deutschen aber ist stets, ist Wohnen, auch in unserem Dialog. Ein ungleiches Machtverhältnis? Vielleicht, und doch sei erinnert, dass wir uns in Freundschaft versuchen wollen. Ich will mein Deutsch gewissermaßen aufgeben, übergeben an Hesen, der mich versuchende, an die Hand nimmt und mir die Abwege der Sprache zeigt, auf deren ausgetrampelten Pfaden ich mein Leben lang sicher fabulierte. Der Versuch ist also eigentlich ein Vertrauen.
Wir merken bereits, dies ist kein Vorwort, ist längst schon Suche – und die Vorsilbe, die sich uns als vielleicht wertvollste erweist, ist das „ver“. Nur über das „ver“ glaube ich zu diesem Schreibpunkt auf Abwege des Deutschen zu geraten. Aber bedenken wir, dass mir das „ver“ vertraut ist, mein Leben lang mich begleitet hat, das Deutsche mich also mit dem „ver“ nur auf Abwege hinweist, die ich auf meiner Sprachkarte längst vermessen habe. Muss ich also das „ver“ zunächst verlernen?
Vielleicht sollte nicht ich dieses Vorwort schreiben, vielleicht sollte nicht ich auf das „Ver“ als die uns in unser gemeinsames Ersuchen der deutsch-walisischen Vorsilben schickende Vorsilbe zielen.
Hesen, was denkst Du? Wie hätte sich Dein Vorwort in sich selbst verlaufen? Wie verstehst Du unsere Ver-Ifiktion?
Man lernt eine Muttersprache passiv, wie Sarahs Deutsch, man lernt eine Stiefmuttersprache (Koloniale) semi-passiv, wie mein Türkisch. Man lernt auch eine Fremdsprache, man erlernt sie, aber man kann nie eine Fremdsprache beherrschen. Die fremden Wörter stolpern immer eine Zunge, zitterig. Und die Zunge zuckte mit dem ganzen Leib, die Wörter verirren sich in einem Gebiet, wo Reden und Nicht-Reden nicht mehr die Frage ist.
Was soll man dann tun? Aufhören, eine Fremdsprache zu lernen? Nein! Man darf nicht vergessen: Im Anfang war das Wort und das Wort war fremd. Mit unserem Projekt machen wir uns auf den Weg zu dem Geist des fremden Wortes, Sarah auf Walisisch, ich auf Deutsch.
Theorie der Ver-Ifiktion in 5 Akten
I. Verspielen
Auf der Suche nach einer Walisischen Entsprechung für Verifiktion, Veri-Fiktion und Ver-Ifiktion lichtete sich mir, dass die Sprache uns in Schlingen führt, um sich selbst einsichtig zu werden.
Mein Anliegen, findet sich und finde ich, eine walisische Entsprechung, die gar mit einer Vorsilbe arbeitet, vielleicht gar mit einer Vorsilbe, die dem Ver- entspricht? Damit begab ich mich natürlich bereits auf verifiktionales Terrain, denn im Deutschen ist das Ver- in Verifikation natürlich keine Vorsilbe. Verifikation ist ein Lehnwort aus dem Lateinischen.
Ich suche daraufhin nach „Beglaubigung“ und „Untersuchung“, denn das sind die Wörter mit Vorsilbe, die das dwds.de vorschlägt als bedeutungsverwandte und etymologisch verknüpfte Entsprechungen. Sie versuchen mich erfolgreich, Beglaubigung besonders, weil es eine untrennbare Vorsilbe aufweist und zugleich den Glauben konstituiert, den alle Fiktion be- und ergründet. Denn das be- bestätigt ja nicht nur den Glauben, sondern versetzt etwas auch erst als Glauben, zum Glauben, sprich: ohne das Beglaubigen, wäre das Beglaubigte eventuell nicht geglaubt, wäre also auf ewig der Ambiguität ausgesetzt, die dem Fiktiven eigen ist. Gewissermaßen verkörpert die Beglaubigung damit das Projekt Verifiktion. Die etymologische Verschiebung der Verifikation stellt sich selbst damit eine Falle, da die Beglaubigung sich ihrer eigenen Selbstreferentialität überführt. Beglaubigung ist also in gewisser Hinsicht immer performativ, erst in der Ausführung das, was es meint zu sein. Ein höchst prekäres Wort und eine höchst prekäre Tätigkeit, beides dem Status gleich, in dem wir die Verifiktion betreiben.
Die Verifiktion braucht also gar nicht das zusammengesetzte Wortspiel, mit dem wir anfangs glaubten, uns begründen zu müssen, sie findet sich bereits in beiden der gesetzten Wortspielzeuge, der Verifikation wie der Fiktion, nämlich als Beglaubigung und als Glaube. Doch bedenken wir, erst mein Versuch einer Übersetzung des Wortspiels ins Walisische, veranlasste mich zu der Suche, auf der ich die mise en abyss der Wortspielzeuge fand, wo sich die Lichtung (Achtung heikel Heidegger) eines Gedankens der Sprache auftat. Dieser Gedanke wäre mir ohne meinen Umweg in das Wortspiel und den Aufbruch in die andere Sprache wohl nie zugetragen worden. Auch hier wieder erkenne ich: Wir müssen in Schlingen tätig sein, nicht nur als Fallensteller und Fallentapper, sondern auch als Umweg. Ver-sprechen eben, auf Abwege kommen, ungerade und abwegig sprechen. Sich versprechen, im doppelten Wortsinne, denn offenbar kommt die Sprache nur in diesem Versprechen zu sich. Anders findet sich Sprache nicht, anders finden wir Sprache nicht.
II. Heraldik der Verifiktion
Wir segeln natürlich unter dem Banner der Deutsch-Walisischen Freundschaft, doch wir sehnen uns auch nach Abweichung, sprich warum das gleiche Banner, warum nicht ein anderes, Veränderung?
Also begibt man sich auf die google-Suche und wird fündig.
Das Banner des Prinzen von Wales – zu dem es viel zu sagen gäbe, lassen wir doch nur uns als Königinnen gelten und dulden keine Aristokratie neben uns – trägt in sich das Deutsche.
Dieses Banner aber gründet auf Feindschaft – nicht gegen das Deutsche, sondern gegen Frankreich. Ein der Zukunft verlorenes Banner, drei Federn, die nicht mehr weit tragen, es sei denn sie gäben sich selbst auf, übergäben sich der Flut oder der Ebbe des Menai Strait, am besten in Caernarfon (Recherche lohnt sich). Der Menai Strait könnte ihnen so Tinte (lat. gefärbtes Wasser) sein, um sich eine Chance auf Überleben zu erschreiben. Resignifizierung, Selbstusurpation zum verifiktionalen Banner der Deutsch-Walisischen Ver-Ifiktion.
Wir selbst, ver-ifizierend verifiktionalisiert, schmückten uns damit mit fremden Federn, die sich in Freundschaft uns schenkten und damit doch ihr sich selbst zugeschriebenes Wesen erfüllten: „Ich dien“ nämlich verflatterte das Banner des Prinzen von Wales und verflattert jetzt, hiermit, die Standarte der Deutsch-Walisischen Ver-Ifiktion. Dienten die Federn einst dem kolonialen Flug, getunkt getränkt vom Menai Strait dienen sie nun dem freundschaftlichen Erschreiben einer Sprache, die wir für unser Leben halten. Auch hier gilt: Die Ursache liegt in der Zukunft. Soll heißen, als sich der sechszehnjährige Edward von Woodstock, 1343 im Alter von nur 13 Jahren von seinem Vater Eduard III. zum Prince of Wales ernannt, 1346 auf dem Schlachtfeld von Crécy, dem Helm und Motto des dort geschlachteten blinden Johann von Böhmen bemächtigte, um seinem neuen Titel Insignien zu verleihen, war er in Wirklichkeit eigentlich über eine Zukunft gestolpert. Weil – und welchen Göttern haben wir hierfür zu danken – aber Edward von Woodstock der eigentliche Blinde auf dem längst Friedhof gewordenen Crécy war, ließ er sich von dieser Zukunft ergreifen, im Glauben damit seine Vision der Zukunft zu beglaubigen. Heute aber wissen wir, der Helm des blinden Johann von Böhmen, dessen drei Straußenfedern, sein Motto „Ich dien“ waren verifiktionale Verkündung der ver-ifiktiven Deutsch-Walisischen Freundschaft des Jahres 2020. Ihr, der Freundschaft, gilt das „ich dien“, hier verspricht sich die Sprache sich selbst, verspricht sich selbst zu dienen. Nicht Schlachtfelder, wissen wir dank des Verspiel (siehe oben), werden wir abwegig aufsuchen, sondern Lichtungen.
Daher gilt, bevor wir das ver-ifiktionale Freundschaftsfeld begehen wollen, wollen wir Banner, Wappen, Fahnen, Standarte, Flaggen beschreiben als die der Freundschaft, wollen sie verfluxxurieren durch menaische Tintenfluten. Ver-ifiziert bereits die „royal coat of arms“, ver-ifiziert bald auch das „shield of peace“ mit seinem dreifachen „Ich dien“ in der Kombination der „gemeinen Figur“ (Heraldik) der Straußenfedern. Wir wissen nun, jede Feder dient, indem sie „ich“ schreibt, der Sprache einzig, Tinktur des Dienstes auch hier die Fluxusquelle des Menai Strait. Nun ist es uns und der Deutsch-Walisischen Freundschaft Triptychon, das Dienen ein Fluxusgötterdienst. Mit dem hatte alles in genau dieser Dateienorderbezeichnung im März 2020 seine Anfänge genommen. Deren Ursache, so erkennen wir in wachsender Glückseligkeit, auch hier also nicht damals der originelle Einfall, sondern heute, in der damaligen Zukunft, die Verifiktion. Beweis all dem dann die Imprese des Prince of Wales, in der sich unser Wappen der Neuen Walisischen Kunst und Deutsch-Walisischen Freundschaft vorwegnimmt.
III. Dienstag ist Fluxustag
Weil sich weder die Engländer noch die Waliser der deutschen Sprache in dem heraldisch verewigten Motto „ich dien“ zu erwehren, noch die Engländer zudem ihre koloniale Präsenz in Wales zu verniedlichen wussten, wurde das „ich dien“ in mühevoller Spracharbeit dem Walisischen „eich dyn“ homophonisiert. So gut ist mein Walisisch dann doch, dass ich bestätigen kann, „ich dien“ ist der Aussprache von „eich dyn“ tatsächlich gleich, zumal das „e“ in „eich“ im gesprochenen Walisisch kaum ausgesprochen wird, höchsten von einer Spracharistokratie. Die aber ist irrelevant und misst eine sprachliche Lebendigkeit und Weltfremdheit die der und der des Vatikans gleich ist, wenn nicht sogar diese und diese und damit jenen noch übertrifft.
„Eich dyn“ ist aber schon eine sehr unglückliche Lösung und erfüllt uns daher natürlich mit besonderer Glückseligkeit. „Eich dyn“ bedeutet so viel wie „Euer Mann“. Das Walisische kennt wie das Deutsche die Höflichkeitsform, so dass es sich hier sowohl um Euer im formellen Singular als auch euer im informellen Plural handeln könnte. In beiden Fällen aber um einen „Mann“, das „ich“ also nie eine Frau, die wäre im Walisischen nämlich „dynes“. „ich dienes“ wäre natürlich nicht nur falsch konjugiert, sondern auch nicht mehr homophon mit dem Walisischen, denn das macht bei zwei- und mehrsilbigen Wörtern aus dem „ie“ des „y“ ein „ö“ des „y“: „dynes“ wäre also eher auszusprechen wie „dönnes“ (das „ö“ ist aber auch eher ein Hilfsmittel, denn ein wirkliches „ö“ ist das „y“ dann doch nicht).
Genderneutral ist das „ich dien“, nicht aber das „eich dyn“, das würde nur Männer ins Banner, ins Wappen, auf die Fahne und so weiter aufnehmen, nicht aber Frauen. Die sind theoretisch im „ich dien“ potentiell doppelt gemeint, wenn nicht sogar dreifach. Sie können nämlich sowohl Dienstleister (ich) als auch Nutznießer des Dienstes sein, denn das indirekte Objekt ist im „ich dien“ ja Leerstelle. Da freilich im 14. Jahrhundert und vor allem der für seine Brutalität bekannte Eduard von Woodstock unter Dienst den militärischen verstand, sollte das „ich“ wohl der männliche Soldat sein, Nutznießer die englische Krone, die sich, wie bereits gesagt, kolonial auch der walisischen bemächtigt hatte und auf dem Schlachtfeld von Crécy eigentlich auch der französischen sich bemächtigen wollte, was letztendlich aber selbst nach hundertjährigem Krieg nicht gelingen sollte.
„Eich dyn“ verdient letztlich – trotz genderbias – unseren Zuspruch, zeugt es doch von einer uralten Ahnung der Verwandtschaft zwischen dem Deutschen und dem Walisischen, schon in den Lauten, die jeder Sprache vorgängig sind. Das freilich erst knappe 600 Jahre später diese militärischen, kolonialen Anfänge ihre Ursache in einer zukünftigen Freundschaft zu erkennen geben, ist historisch beschämend. Doch besser spät als nie. Das „ich dien“ wird nun von Frauen im Munde geführt, ich voran. Das indirekte Objekt des Dienstes ist der Fluxus, ist die Neue Walisische Kunst, ist die Ver-Ifiktion wie die Verifiktion.
IV Homophonie ist Epiphanie
Wie also wäre die Verifiktion und die Ver-Ifiktion ins Walisische zu übertragen. Homophon, etwa? Traditionen fortsetzend? Hier bietet sich leider wenig Spielraum der Sprache, denn aus Verifiktion entstände homophon im Walisischen etwa so viel wie Feruffuction, das „F“ spricht sich wie ein „W“, das „ff“ wie ein „f“, das „u“ wie ein „i“. Wenig spektakulär. Schlagen wir nach:
feru wäre im Walisischen nur ohne Mutation nachschlagbar, also als beru.
beru (auch: beraf) bedeutet – unser Herz rast – fließen, nieseln, träufeln. Ja, Feruffuction ahnt den Fluxus, der es hervorgebracht hat. Feruffuction ist fluxxurierte Verifiktion!
Feruffuction aber ist noch magischer als wir es vor fünf Minuten ahnten, als wir spaßhaft die Homophonisierung durchspielten. Denn:
beru (auch: beraf, berio, beriaf) bedeutet auch aufspießen, wie die Avantgarde auf den Zungenspitzen das neue Wort, den neuen Laut aufspießt, dann grillt, dann verschluckt, wieder ausspuckt, frei gibt, zerkaut unzerkaut, verdaut, unverdaut. Feruffuction also ahnt Fluxus und die Avantgarde, ja ist performativ. was sie ahnt, ist selbst aufgespießter Neulaut!
Und dabei sind wir noch nicht einmal halb durch mit der Feruffuction. Welche Wunder mögen uns in der zweiten Hälfte, dem Unterleib gewissermaßen, begegnen?
Schlagen wir ffuction nach, so schlägt uns das Wörterbuch ffustion vor.
Ffustion ist die Arbeitskleidung des Steinbrucharbeiters, zumeist in Kord gehalten. Nordwales, dem Hauptquartier der Deutsch-Walisischen Freundschaft, sitzt die eigene Geschichte des Steinbruchs, des llech, llechgraig, des carreg las (blaues Gestein) – des slate im Englischen, das dem Sklaven, dem slave verdächtig nahesteht –, bis heute im Nacken. Der Nacken ist, das wissen wir nicht erst seit Alexander Kluge – einem bekennenden Afongadisten und Deutsch-Walisischen Freund – das Organ der Furchtsamkeit. Denn der Nacken weiß, was kommt. Der Nacken sieht das, was der Verstand so gerne den Rücken zudreht: richtig: Zukunft. Der Nacken ist der erste, der die Zukunft erspürt und ihr begegnet, während die aufgeklärten Augen verblendet sind vom eigenen Verstand, der sich aus Angst der Zukunft abgewendet hat. Die nämlich kommt immer aus der Vergangenheit herangeweht. Weil unser aufgeklärter Verstand der Zukunft den Rücken zugedreht hat, brauchen wir den instinktiven Nacken zum Überleben.
Wir ahnen es, die Übung der Homophonie ist eine Raumzeit, in der sich uns ein Überleben der Kunst als Fluxus geöffnet hat. Verifiktion wird Feruffustion sein. Wie deutlicher kann sich semantische Verbrüderung im Gleichklang versprechend ereignen? Verbrüderung, Gleichklang, Versprechen sind Erscheinungsformen des Fluxus. Unsere verifiktionale und ver-Ifiktionale Versuchung des Deutschen und Walisischen ist geglückt, dank Fluxusarbeit, dank feru, dank ffustion!
V. Lexikalischer Versuch der Ver-Ifiktion
Fallhöhe. Was soll nach Feruffustion noch kommen? Die Homophonie hat bestimmte Facetten der Neuen Walisischen Kunst herauskristallisiert, die der Verifiktion nicht zu entmeißeln gewesen wären. Jeder Versuch einer lexikalischen Annäherung an die Verifiktion muss beschämend enden. Wir unterlassen es daher, vielleicht schieben wir es auch nur auf – denn wer will sich schon die – wenn auch nur allerkleinste – Chance entgehen lassen, weitere Facetten der Verifiktion aufzudecken?
Bisher leer ausgegangen ist die Ver-Ifiktion, die doch alles andere ist als zweite Geige. Hierarchien kennen wir ohnehin nicht. Die Ver-Ifiktion verhilft der Sprache zu sich selbst durch abwegiges Versuchen von Vorsilben. Wie das Deutsche gewinnt das Walisische seinen Reichtum aus dem Spiel mit Vor- und Nachsilben. Schöner noch als im Deutschen sind walisische Vorsilben immer untrennbar. Wir erinnern uns, unsere Grammatik des Fluxus vereehrt die untrennbaren Vorsilben, weil sie den Satz öffnen und ihn gerade nicht mit Satzklammern verschließt.
Was wir bereits wissen: Das Deutsche kennt die Verifiktion auch als Beglaubigung. Beglaubigen können wir somit der Ver-Ifiktion mehr als nur eine Vorsilbe: Das Ver, das sie als Krone und mit geschwollener Brust vor sich hinträgt und den Blick verstellt, meint zugleich auch ein Be. Beides untrennbare Vorsilben, nicht nur – wie wir jetzt wissen – untrennbar nicht nur vom Wortstamm, sondern auch voneinander. Die Verifikation ist ohne die Beglaubigung nicht zu denken.
Wie das Deutsche hat auch das Walisische für die Verifikation verschiedene Ausdrücke:
gwiriad
gorchwiriad
gorchwylaidd
Wir wählen die goldene Mitte, denn sie leuchtet uns entgegen. Das Wort ist zusammengesetzt aus der Vorsilbe gor- und dem Wortstamm gwiriad hier wegen der Vorsilbe mutiert zu chwiriad. Gwiriad wiederum ist zusammengesetzt aus gwir und iad.
Drei Variablen also, was ein Fluxus der walisischen Verifikation verspricht. Schauen wir also genauer hin:
gor-
Stammt vom proto-indogermanischen upér, also dem über oder super des Deutschen.
Wir bewegen uns also vermutlich im Superlativen, im Megalomanen, gar im Transzendenten?
gwir
Ist gwir ein Adjektiv, bedeutet es so viel wie: wahr, wahrhaft, wirklich, real, sicher, gesichert, genau.
Ist es ein Nomen, existiert es als cwir, also ohne Mutation. Die Mutation in gorchwiriad legt uns nahe, dass es sich um cwir handelt, denn eine Mutation von g zu ch gibt es eigentlich in der Walisischen Grammatik nicht (eventuell gibt es sich aber in unserer Verifiktionsgrammatik, wir werden sehen).
cwir
Kann verschiedenes bedeuten:
Kürass
Chor
Kanzel
Presbyterium
Chorraum
Wahrheit und Kirche erkennen wir in der Walisischen Sprache als sich gegenseitig hervorbringend, Ideologiegeschichte als Sprachgeschichte.
iad
Auch hier bieten sich verschiedene Übersetzungen an, anatomische und freiere:
Stirn
Schädeldecke
Hirnschale
Schädel
Gipfel
Höhepunkt
Wollen wir gierig sein, könnten wir gleich Vorsilbe und Schlusswort zusammenführen, deuten sie uns doch an, dass wir mit der Verifikation im Walisischen im Heiligen, dem Höchsten der Sprache stochern. Eine Hypothese, die vom Hauptwort noch belegt wird, denn was ist Heiliger als die Kirche. Verifikation ist gewissermaßen die höchste Wahrheit aller Wahrheiten, ist Gipfel der Überwahrheit, ist die Wahrheit, die der Chor in höchsten Tönen verkündet, die zur Peripetie des Gottesdienstes sich zeigt.
Wie sehr spricht uns hier das Walisische aus unserem deutschen Herzen, wie oft hat sich uns während unserer Fluxusgötterdienste mit der Peripetie unserer Aktionen, das Fluxuszentrum gelichtet – in dem sich zwar kein Chor versingt und auch nichts Transzendentes blendet, wohl aber heilige Wahrheit, nämlich Fluxus, offenbart.
Verifikation ist Gorchwiriad, beides, wenn im Dienste der richtigen Götter fluxxurisiert, wird zu Verifiktion, oder auch Ver-Ifiktion. Verifiktion und Ver-Ifiktion durchstoßen, weil Afongad und Avantgarde, den Kürass – ob ledern oder metallen – der Verifikation, spießen dessen Wahrheit auf, grillen sie, verschlucken sie, spucken sie wieder aus, geben sie frei, zerkaut unzerkaut, verdaut, unverdaut – und führen auf ihrer Zungenspitze das neue Wort: Fluxus!
Fluxus setzt sich dann fest auf unserer Schädeldecke, hält wahrhaftes Presbyterium mit Superlativen, um sich selbst zu übersteigen, zu Fall zu bringen, von höchster Fallhöhe. Denn nur so lädt sich Fluxus mit Fallgeschwindigkeit auf, die sie gegen sich selbst ins Feld führen kann – ungesichert von Kürass. Der feste Sitz auf der Schädeldecke also eigentlich ein Vortexzentrum, aus dem Massenströme fluxxurierter Wahrheit wirbeln.
Damit ist also die Verifikation lexikalisch verklärt. Das gor- soll unser ver- sein. Verstärkt vielleicht noch durch das -iad. Denn in der Doppelung holt der Fluxus Schwung. Doch wie steht es nun um die Verifiktion//Ver-Ifiktion?
Das Walisische bietet für die Fiktion kaum weniger Varianten wie für die Verifiktion:
ffugchwedleuaeth
ffugeb
ffuglen
ffugchwedl
ffughanes
ffugiad
Jedes eine ein Abenteuer für sich selbst. Doch allen gemeinsam ist das ffug – und am Ende der Liste taucht es auf, das ffug, das sich selbst schwungvoll auf den Gipfel setzt: ffugiad. Ffugiad ahnt die Fata Morgana der falschen Wahrheit, die Fallen, die die Fiktion uns und sich selber stellt, die Schlingen der Simulation – und ist daher unser Wort.
Die lexikalische Suche nach der Fiktion, fast sind wir traurig, trifft rasant auf ein Fundstück.
Verifiktion lexikalisch also gorffugiad?
Ver-Ifiktion lexikalisch also gor-ffugiad?
Epilog: Von gor-ffugiad und feruffustion
So stehen wir also nach einer verschlungenen Sprachreise schwindelnd da mit vollen Händen:
Homophon erhörte uns das Walisische, schenkte uns für die Verifiktion feruffustion.
Lexikalisch entgegnete uns das Walisische, schenkte uns für die Ver-Ifiktion gor-ffugiad.
Reich beschenkt wissen wir uns.
Segeln können wir nun nicht nur unter deutscher Fahne.
Deutsch Versuchen I
Also, mit welchem Wort magst Du anfangen?
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:04:02]:
Ahah 🙂 Du kannst anfangen? 🙂
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:04:39]:
OK, ich denke für den Anfang wäre das Wort „versuchen“ doch prädesiniert, oder?
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:05:43]:
ja stimmt.
Ich denke aber was ich dazu sagen kann:)
Jede Suche mündet sich zu einem Verscuh. Während man sucht, wandelt sich der suchende Subjekt
und jede Suche ist ein Versuch an den Subjekt selbest.
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:09:55]:
Und auch das Objekt, das man sucht, oder?
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:10:22]:
Das Objekt wandelt sich, weil das auch dauert.
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:11:07]:
Wenn Du „dauert“ schreibst, meinst Du dann, das sich Subjekt und Objekt verwandeln wegen der Zeit, die auf der Suche vergeht?
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:11:30]:
die auf der Suche dauert
die äußere Zeit vergeht, die innere dauert
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:12:16]:
Aber wenn die innere dauert, würde ich dann nicht gleich bleiben?
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:13:10]:
Wen da
wenn das Subjekt nich gleich bleibt, sich wandelt, kann die Interaktion zwischen dem Subjekt und Objekt automastisch verändert
Und wenn man nach etwas Bestimmtes sucht, sucht man schon weniger ....
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:15:06]:
Ja. Würdest Du dann sagen, das „ver“ in „versuchen“ ist das gleiche „ver“ wie in „vergehen“ und „verändern“?
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:15:40]:
Ja gneau
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:16:18]:
versuchen ist damit immer auch ein verändern und vergehen?
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:17:03]:
gehen und Ver-gehen: suchen. und Ver-suchen
denke ich
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:18:32]:
Aber im Vergehen steckt ja auch der Verlust. Ist der VErsuch also auch ein Verlust? Was verliert man im Versuch? Sich selbest? Das Objekt der Suche? Die Zeit? Beim Vergehen ist es ja fast deutlicher: Man verliert Zeit, gar Lebenszeit.
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:20:42]:
Ich kann ja sagen. Jeder Verscuh vermindert die Gegenstände. nach denen wir suchen können.
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:21:22]:
Oder wir verlieren genau das, was wir suchen (nach dem Motto: etwas aus den Augen verlieren)?
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:22:03]:
z. B ich versuche eine Methode, danach ist sie nicht mehr suchBAR
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:23:08]:
Als hätte man sie „ver“braucht (man braucht eine Methode, nutzt sie und dann braucht man sie nicht mehr, sie ist einem verbraucht)?
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:23:20]:
Eben.
Auch wie VERsorgen.
....
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:26:04]:
das macht das Versuchen mir aber jetzt sehr leidig - versuchen verband ich bislang immer mit dem Experiment, dem Spiel, dem Spaß und dem Glück (auch wenn der Versuch scheitert) … oder ist es vielleicht, dass das Experiment, das SPiel, das Glück nur im gescheiterten Versuch sich ereignet, denn der gescheiterte Versuch lässt alles ja weiterhin suchBAR und damit offen?
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:28:16]:
Aber der neue Versuch ist nicht der Alte. Nach dem gescheiterten Verscuh bist du nicht mehr Sarah, die es versucht hatte.
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:28:54]:
Ja, stimmt, die versuchte Sarah ist vergangen.
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:29:36]:
Weil Sarah dauert und dadurch erstreckt sich die Vergangenheit in die Gegenwart.
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:29:42]:
Die Vorsilbe „ver“ ist also sehr melancholisch, nicht wahr?
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:30:14]:
und sehr schwierig, die Bedutung zu raten.
melancholisch, weil etweder alles vergeht oder auch mit VER kann man die Substantieven Ver-Verben
die Dinge, die da sind, werden durch VER verflüchtigt, nicht mehr unsterblich, sie sind vergehend
Gift-vergiften.
Gift ist nicht mehr Gift.
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:33:54]:
Vergiftung gibt es aber
Und die Vergiftung ist die Wirkung des Giftes.
Aus dem Ver-Verbten Substantiv kann ich also wieder ein Substantiv machen.
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:35:19]:
Ja stimmt. Aber setz VER alles in Schwingung
Gift-VERgiften-Vergiftung: Gift aber nicht mehr ein Ding, ist eine Wirkung.
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:36:20]:
Ja, das ver versetzt alles in Schwingung :-)
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:37:40]:
Sogar der Tod selbst. Versterben 🙂
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:39:14]:
Ver wird ja oft auch als ein Negativprefix beschrieben, jetzt glaube ich, verstehe ich, warum das so ist. Gift, Tod, Vergehen. Wir verweilen gerade in sehr dunklem Terrain.
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:41:09]:
Verweilen ist auch interesant oder?
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:43:09]:
Ja, weil es den Aufenthalt in der Zeit meint und zugleich schon das Ende des Aufenthaltes antizipiert (wenn die Weile vergangen ist). Ein melancholischer Zustand - aber vielleicht lese ich das jetzt nur so, weil ich jetzt in so melancholischer Stimmung gebracht worden bin).
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:44:54]:
Aber ich kann versuchen so eine gute Stimmung zu bringen. Wenn die Weile lang wäre, wäre das ver ein Retter.
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:46:08]:
verlangweilen sozusagen
damit kommen wir aber zu verwandtschaft von „ver-„ und „ent-„ oder?
Interessanterweise gibt es ja auch das WOrt „Entgiftung“
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:47:31]:
aber nur wenn es mit dem Substantiven benutzt
das funktioniert nicht mit Verben
entgehen
z.B
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:48:16]:
Doch entgehen gibt es: Freier Eintritt? Den lasse ich mir nicht entgehen.
Etwas nicht verpassen sozusagen.
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:49:05]:
ja da hast du recht. nicht vergehen lassen.
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:50:07]:
ja :-)
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:50:30]:
aber es gibt auch entschwinden 🙂
Sarah Pogoda, [28.06.2020, 21:50:58]:
Wollen wir für heute Schluss machen - und ich suche morgen mal nach ein paar Walisischen entsprechungen (Ent :-) Wir fangen ja jetzt mit einer neuen Vorsilbe an (ent).
Ent wird dann unser übernächster Chat.
Hesen Ildiz, [28.06.2020, 21:51:28]:
ja gerne gerne 🙂
Walisisch Versuchen I
Ein Versuch des versuchen im Walisischen
Versuch I
Verb: versuchen: amcanaf//amcanu – versuchen, intendieren, abzielen auf, bezwecken
Vorsilbe „am“ – um...herum
canaf//canu – singen, anstimmen, Poesie machen
Der Versuch wäre danach eigentlich alles, was um die Poesie herum gemacht wird, ohne zugleich Poesie zu sein, ein Umkreisen der Poesie und des Singens. Der Versuch spielt den Walisern und ihrem Selbstverständnis, um das sie sich immer wieder bemühen, somit zu, denn sie glauben, Poesie, das Singen, das Anstimmen sei ihnen einer der höchsten Werte. Der Versuch um das Singen, Poetisieren herum ist ihnen gewissermaßen Ziel und Zweck. Alles andere ist vielleicht noch nicht mal einen Versuch wert, wäre keine Versuchung?
Versuch II
Nomen: der Versuch
ymbrofiad – der Versuch, das Experiment, die Erfahrung
ym – reflexive Vorsilbe: sich selber oder -einander
profiad – Erfahrung Versuchung, Test, Bewährung
Ymbrofiad wäre also die Erfahrung miteinander oder ein Einander Experimentieren. Oder wäre der Versuch etwa jene reflexive Spannung der Existenz, die der anderen immer eine Bewährung ist? Im Walisischen findet sich ymbrofiad auch im religiösen Kontext, vielleicht meint es die Bewährungsprobe, die das Experiment immer auch ist für das- und den- und diejenige*n, das, der, die da getestet wird und werden.
Das Schöne an der reflexiven Bedeutung dieser Vorsilbe „ym“ ist: Ausgesprochen wird das „ym“ im Deutschen etwa wie „öm“, also einem nachdenklichen Ausstoß der Unwissenheit, die bald in Erkenntnis umschlägt, sich selbst aber vor der Erleuchtung noch als dumm zeigen will. „ym“ wie „öm“ also sehr aufrichtige Vorsilben. Aufrichtig auch ymbrofiad, insofern als das Scheitern des Versuches durch die Reflexivität nicht nur das Scheitern des Versuchten, sondern auch des Versuchenden wäre. Denn an ymbrofiad, an dem wir uns versuchten, sind wir wohl eher gescheitert. Wichtig ist, dass auch der Ausdruck „sich versuchen“ uns nun über den Exkurs ymbrofiad als das erscheint, als das es sich selbst wohl immer auch gemeint hat: „sich versuchen“ heißt also eben nicht nur, das Wagnis eingehen, etwas zu tun, sondern vor allem auch, das Wagnis eingehen, sich selbst zu verlieren: eben sich suchen und darin zu „ver“-suchen, also nicht mehr zu finden, unauffindbar zu sein.
Damit ist der Versuch zu ymbrofiad doch noch geglückt, obwohl wir dachten, er sei gescheitert. Dann aber versuchten wir es mit dem Sich-Versuchen noch einmal und fanden vielleicht nicht uns Versuchte, aber doch die Freundschaft zwischen dem Walisischen ymbrofiad und dem Deutschen – in der Reflexivität liegt das Geheimnis.
Versuch III
argais – Versuch, Unterfangen, Anstrengung
ar – über, auf, nahe
gais/cais - Versuch, Unterfangen, Anstrengung
Hier wird der Versuch cais//gais noch zusätzlich gepräfixt mit ar. Das gefällt mir besonders gut. Das Unterfangen, das aber auch nur in der Nähe eines Unterfangens oder gar über dem Unterfangen zu finden wäre, wo das Wort schon ein Versuch am Wort ist. Zudem noch ein gescheiterter Versuch, denn der Versuch kommt dem Versuch ja auch nur nahe. In seinem Scheitern könnte er aber wertvoller sein, als der reine Versuch.
Damit ist argais dem gais noch zu bevorzugen. Das Interessante an dem Kompositum argais ist, das cais selbst auch Ersuchen bedeuten kann (application) oder ein Suchen, im Sinne vielleicht des Forschens. Das ar, das hier für das deutsche ver- einsteht, steht damit auch für ein er-.
Nebenbei: Wendet man die Präfixraumverhältnisse auf das Wort selbst an, wird aus dem argais ein entferntes ar gais, also eine Präposition und ein Nomen. In dieser Form bedeutet es: geradewegs. Geradewegs freilich ist dem Versuch, der doch gerade Wege nicht kennen sollte, doch eher fern. Die Ferne, die hier also zwischen dem Präfix ar (als Präposition) und dem cais gelegt wird, ist in der Bedeutung des getrennten Wortes aufgenommen, indem sie – die Bedeutung von ar gais – der Bedeutung von argais doch so fern liegt, dass es fast schon das Gegenteil meint.
Versuch IV
antur – Unterfangen, Versuch, Bemühen, Abenteuer
an – Negativpräfix: un-; a-
tur - ...
Einem weiteren schönen walisischen Wort kommt man auf die Schliche, wenn man dem antur nachgeht. Das entspricht einem Nachgehen der heroischen Art, denn antur bedeutet ein abenteuerliches Unterfangen. Versucht man, ja, macht man sich auf in das etymologische Abenteuer – und wir von der Einheit Ver-Ifiktion lieben das Abenteuer, suchen es als Versuchung, die uns Schlinge über Schlinge legt, damit wir in unsere eigenen Fallen tappen – von antur, so sollte man das Verb anturio//anturiaf bemühen, denn für tur, also dem präfixfreien Nomen findet sich nichts im Wörterbuch und als linguistischer Dilettant fällt es einem auch erst beim versuchten Finden wie Schuppen von den Augen. Denn einzig das Verb, also anturio//anturiaf, birgt noch seine Gründe im turio//turiaf.
Doch der Reihe nach: anturiaf kennt verschiedene Schreibweisen, darunter auch anturio und antiriaf und antirio. Ohne Präfix wäre das turiaf, turio, tiriaf, tirio. Und eben letztere bergen das Geheimnis, das nur Helden finden, die sich vom Scheitern am antur versuchen lassen zum Umweg über das Verb: Also Helden, die die Tätigkeitswörter suchen, das Tu-Wort, wie es meine Oma noch nannte. Denn im Tätigsein entbirgt sich die Wahrheit des Wortes turio: das tir. tir ist die Erde, das Land, der Boden, der Grund, der Humus. turio und tirio mit und ohne f meint daher auch graben, buddeln, wühlen, gar sich einwühlen und weil ein Einwühlen in Erde immer auch ein von der Oberfläche-Verschwinden ist, meint das turio oder tirio auch sich verbergen. Und weil das Verb sich selbst finden will, meint es zugleich auch ein durchstöbern, durchsuchen.
Was aber meint nun dieses Präfix, das das Durchstöbern, Durchwühlen, Graben und Verbergen zum Versuch macht?
Wir laufen auf Grund, denn an wird als Negativpräfix genutzt, verneint also Nachstehendes. Der Versuch wäre also ein Nicht-Graben, ein Durchstöbern, das keines ist? Oder ist es eher ein Unbegründen von Land, Erde, Grund? Antur, der Versuch, ist die Existenz ohne Grund und Boden, ist das Abenteuer des Nomaden, mit dem wir uns ja verwandt fühlen, weil wir der Sprache nachgehen, ohne je bei ihr bleiben zu können. Antur ist unser Versuch, den Ungrund der Sprache offenzulegen, an dem doch so viel Wahrheit hängt und vor allem hängengeblieben ist, als sei auch die Sprache eine Schlinge, in die es zu tappen gelte?
Ist Antur also die Übersetzung, an der wir uns heften wollen, auch wenn wir, als deutsch-walisische Freunde der Neuen Walisischen Kunst und ihrem Jajaja uns verpflichtet fühlen? Kann es ein Ja zum Präfix an- geben? Wir denken natürlich: ja klar, denn das an- hat uns ja klar vor Augen geführt, was wir versuchen, wenn wir einen Versuch wagen, Abenteurer der Sprache, die wir sind: Anturiwr also, oder Anturiaethwr will ich mich nennen, Anturiaethydd ich uns, wir uns, sollt ihr uns nennen. Ein Titel wie dieser freilich eine Versuchung und zugleich ein Versuch, Mut zu schöpfen aus unserem blinden Vordringen in die Vortiefen der deutschen und der walisischen Sprache. Denn das haben wir längst erkannt: Vorsilben mögen sie sich nennen, doch so kurz sie sind, dass Silbe durchaus gerechtfertigt wäre, tiefer als kurz lassen sie uns doch stöbern in ihrer Erde, die ihre Bedeutung nährt.
Und so denken wir auch an diesem Nachmittag wieder an Heiner Müller, der vielleicht hier noch nicht genannt wurde, aber bei unseren deutsch-walisischen Freunden immer auch anzutreffen ist. Heiner Müller sprach einmal von Maulwürfen der Literatur, der Maulwurf wühlt, stöbert und verbirgt sich selbst in der Erde. Twrch ist das Walisische Wort für Maulwurf. Umgegraben wurde in twrch das tir und das tur, denn gesprochen ist das tur auch ein tir, da das walisische „u“ ein „i“ ist, das „w“ in twrch aber als „u“ gesprochen wird. Nur wenn wir also in die Vortiefen uns wie in ein Abenteuer stürzen, mögen wir den Maulwurf als Helden des Versuchens erkennen, aber auch das mag nur eine weitere Schlinge der Sprache sein, die sie uns – die wir uns sehnen nach Sinn im Unsinn, die wir ein Ansinnen nach Sinn im Unsinn in uns tragen – legt. Wir wollen sie uns anlegen lassen, denn diese Schlinge befreit (also: an-legt) unsere Phantasie. Und nur wer Phantasie hat, begibt sich auf Abenteuer. Sich auf ein Abenteuer begeben, so lehrt uns das Walisische, ist vor allem sich in Abenteuer versuchen.
Im Deutschen Pflügen
Von einer die auszog das Furchen zu lernen
Es galt Abschied zu nehmen vom Bergischen Land, da die Berge des anderen Landes das Herz im Bergischen gerufen hatten und ihr Echo traf ein Lot. Das Lot, man erinnert sich oder clickt es nach, ist die Poesie. Das hatten wir während des Anstiegs zu den erhöhten Tiefen Maesgeirchens vor viel zu langer Zeit einmal behauptet und verifiktioniert.
Poetisch geht es dann also auch diesem Text durch, womit wir bei den Pferden sind, die im Rheinland – gleich ob echofreies Flachland oder orchestrales Siebengebirge – auch als Ferde an- und ausgesprochen werden. In beiden Pfällen weiß man, was gemeint ist. Daher dürfte auch kein Zweifel daran entstehen (Perspektivverschiebung!), dass das Gefährt – später auch als KFZ oder Auto gezeichnet – vom Pferd kommt, das einmal war und als Gefährt perfektioniert worden ist. Die perfekte Geschwindigkeit, die das langsame unvollendete Imperfekt auch in der selbstbezeichneten Vervorsilbung sich verbietet, führte zum raschen P-Schwund. Denn das „p“ geht, das „f“ aber fährt. Bevor die Pferde vor den Wagen gespannt wurden – also zwischen Januar und Februar unserer Zeitrechnung –, kannte man nur die Gehschwindigkeit. Mit der Geschwindigkeit aber kann auch ein rennendes Pferd nicht mehr mithalten und so verhallt das „p“ in Gepferd im vorbeirauschenden Pfahrtwind.
So wie das Gefährt von und vom Pferd kommt, kommt der Flug vom Pflug. Diese etymologische Verifiktion wurde bislang jedoch noch nicht fruchtbar gemacht für Einsichten in das Wesen des Fluxus. Die Zeiten ändern sich, auch aus Connie wird bald wieder Els oder Äls. Daher pflügen wir heute die Wortfelder um, in aller gebotenen Sorgpfalt. Sie sehen bereits: Das dürfte dauern. Nehmen Sie sich also nichts weiter for für den Rest des Tages. Schlaflos könnte die Nacht pfolgen, denn am Ende steht doch bereits schon hier am Anfang die Pfrage, ob den Fluxus von Pfluxus kommt, kommen könnte. Ist das denkbar oder wäre es nicht paradox und damit denkbar?
Fliegen kommt von schnellen Pflügen. Einen Text überfliegen, so ahnen wir bereits jetzt, wo wir noch gar nicht tief gegraben haben, lässt nur mickrige Bedeutungsernten erwarten. Ein rascher Flug kratzt kaum an der Oberfläche, lässt einen Text also beinahe unberührt. Überfliegen Sie also die Verifiktionen nicht. Überpflügen Sie sie! Nur aufwühlende Arbeit, so besagt eine alte Bauernweisheit, verbringt die Kartoffelferien fett und satt. daher ist das Märchen „Von einem der auszog das Fürchten zu lernen“ auch ein Märchen, „Von einer die auszog das Furchen zu lernen“ hingegen eine Verifiktion. Wir empfehlen eine Lesegehschwindigkeit von 9-10 w/h, die selbst bei optimalen Verdinglichungen nicht überschritten werden sollte. Je langsamer die Überpflügungsgehschwindigkeit desto besser die Rückverfestigungswirkung. Dafür sollte die Gehschwindigkeit maximal 8 w/h betragen. Das ist alles auch woanders nachzulesen.
Das Bergische Land ist nicht das Rheinland, doch wo der Nachbar Weisheit auf der Zunge führt, erhört sie auch der Bergbauer. Wir fragen uns nur, welchen Ochsen wir anspannen wollen, um die Wortfelder zu beackern. Dass unsere Wortfelder zu Ackern umzupflügen sind, legt die Sprache nahe. Dabei schreiben sich die Verifiktionen von leichter Hand in den Mund zum Ohr als Echolot des poetischen Herzen, von Ochsenarbeit daher weder Spur noch Furche auf dem Erfahrungsgrundstück des Deutschen. Verifizierte Textarbeit ist also nicht malochen oder klotzen, eher ein schuften. Ein Schuft, ein Schlingel, ein Schlingensief ist das Pflügen als Rackern. Denn das Rackern ist „ein Kind, das gern Schabernack treibt, lustige Streiche, kleine Dummheiten macht, Schlingel“. Über pflügende Wortackerarbeit in Gehschwindigkeit zu gesinnen, ist somit Bekenntnis zum Fluxusbauern Christoph Schlingensief. Jede Furche ein Schlingensieg. Schlingensief hatte es selbst erkannt, aber nie verraten: der Meister Dieter Roth rackerte nicht nur im übertragenen Sinn, sondern professionell buchstäblich. Trägt man diese Buchstaben zusammen, ist zu lesen, dass das Rackern und der Racker einst eine Tätigkeit bezeichnete, die der des Abdeckers, Schinders und Totengräbers gleichkam: Sie alle kümmern sich um das, was die Gesellschaft für nicht mehr wertvoll hält: Kot, Dreck, die Toten. Der Racker ist also ein Trashkünstler, macht Scheißkunst, wenn er statt zum Rechen zur Feder oder zum Megaphon greift.
Die Verifiktionen also erkennen sich dank der rheinländischen Hochgeschwindigkeitsnatur als rackernde Pflugscharen im Zeichen der Deutsch-Walisischen Pfreundschaft.
Der gepflügte Flug zu den walisischen Bergen also ein Rückpflug: Das Beackern der Wortfelder rückverfestigt die Saat, die wir zu ernten versehen haben: Das Kind, das sich am Schabernack abarbeitet, vergräbt sich im Dreck der Sprache. Wir haben das Furchen gelernt. Dazu hatten wir ausziehen müssen ins Bergische. Wer hätte das gedacht?
Wir sprachen also Deutsch, wir rackerten teutonisch. Wie aber malocht das Walisische? Bedeutet unser Rückpflug eine Rückkehr in die deutsche Sprache über das Walisische?
Im Walisischen Pflügen
Der Auspflug ins Walisische verspricht stets – versagen Sie hinterher nicht, es wäre keine Warnung versprochen worden – Maloche, doch dass wir ausgerechnet beim Pflügen so sehr zu schuften haben sollten, das hätten wir uns nicht gehotzenplotzen lassen. Doch was das Deutsche an Andeutungen verpflogen hatte, erwies sich im Walisischen als wahrhaftig tatsächlich. Arbeit macht Spaß, denn nur ein zuschwerst Heraufbeschwörtes labbt (kommt von Labern) das poetische Herz, zu dem wir uns ja bereits erkannt haben. Die Sprache also ein Schuft, das Walisische ein Schuften, doch der Acker war ja bestellt worden und nun gilt es auszuliefern.
Wo aber anfangen, denn das Feld ist durchpflügt und die Poesie aufgewühlt. Die aufgelockerte Sprache hat das Blatt gewendet, die Autorin fühlt sich wie ein Ochs begraben, halb begraben, denn auch wenn der Maulwurf – der Pflüger der Natur – ohne Ende gerackert hat, ist der vertagte Grundboden zu gering für ein Vieh wie mie. Deshalb ja der Ox, denn schön dumm schaut man da aus, ein, drein – und eigentlich auch drauf, und zwar auf das Bild, das man da so schön abgibt: Halb begraben.
lled-gwysaf
Das halten wir also fest, denn halbbegraben halten wir uns im Bild, das sich selber meint und sieht im Folgenden auf, um einen Anfang zu machen. Den Anfang machen wir somit dem dem Ende, denn das Walisische lled-gwysaf war das letzte Wort, welches wir nachschlugen. Ja, ich möchte sogar behaupten (denn nichts anderes ist die Ver-Ifiktion ja als den Kopf durch Be-Hauptung zu riskieren), ledd-gwysaf war der Nachschlag unseres Mehrgängepflügens im Walisischen, denn das Geiriadur Prifysgol Cymru hatten wir ausreichend ploughed through, wie das Englische zu sagen weiß, als uns einfiel – oder sagen wir besser, als uns der Gedanke befiel (denn Fluxus ist ein Raubtier) – das englische Idiom to plough through a book auch im Walisischen nachzujagen. Vergeblich war die Jagd, vergeblich musste sie sein, da sie ihre eigenen Voraussetzungen verkannt hatte: Denn im Walisischen ist das Pflügen immer auch eines des Buches, der Sprache und der Wortfelder, so dass ein idiomatisches Äquivalent zum Englischen tautologisch wäre.
Doch ganz ohne Beute standen wir nun doch nicht da, denn immerhin verzeichnet ist to plough roughly, also gewissermaßen das Gegenteil von to plough through (a book). Lled-gwysaf ist dieses paradoxe Pflügen, ein Pflügen das eigentlich ein (Über-)Fliegen ist. Lled-gwysafiad also ein Flug – das rasche Überfliegen, bei dem alle Sprache ein UFO bleiben muss. Dass lled-gwysaf dem Walisischen ein Unwort ist, zeigt es schon dadurch, dass es sich selbst durchzustreichen versucht, die Bindefurche zwischen lled und gwysaf die performative Selbstauslöschung im Bernhardschen Sinne, immer danebengegriffen, denn zutreffen kann ohne echtes Pflügen nur schwer sich einstellen. Doch da auch die Sprache selten Herr noch Frau über sich selbst ist, gelingt die Selbstdurchpflügung von lled-gwysaf nur als Geste. Das Lled ist übrigens der Verräter an der Sache, um die es uns die ganze Zeit ging, weiterhin geht und vermutlich unerlöst gehen wird, denn cwysaf meint ja wenigstens pflügen. Wir selbst sind an unserer Pflügerfahrung überzeugt, dass es sich bei cwysaf um ein Pflügen im Geheimen handelt, denn bei der Suche über to plough zeigte es sich nicht, verbarg sich im Allgemeinen, das ja nicht unsere Sache ist (Unterscheidbarkeit, bitte bei Adorno nachpflügen). Aber kaum zu Tage verlockt, liegt es entblößt da und zeigt seine Wunde: cwysaf bedeutet nicht nur pflügen, sondern auch begraben, bestatten, vergraben. Lled-gwysaf also der tote Ochse, der dem Maulwurf gestattete ihn zu bedecken mit jener aufgewühlten Poesie des Malochens, der wir uns am Anfang dieses Auspflugs angesichts seines Endes gegenübersahen.
Somit haben wir also vom Ende her doch noch einen Anfang gefunden, der sich – so unsere morgendliche Selbsteinschätzung durchaus Anpfang nennen kann. Die Zeit also ebenso aufgewühlt wie Herzen, Poesie und Sprachacker, das Untere liegt zuoberst, das Spätere zuerst. Doch anders ist es nicht zumachen.
adfraenara
Oder vielleicht doch. Wollen wir einen zweiten Anpfang wagen, einer, der die Chronologie des Epistemischen rekonstruiert? Warum nicht. Wir überspringen also vom Ende den eigentlichen Anfang, der ja vom Schwanz bereits verschlungen wurde (also Schlangenallegorie von uns wie Hegel von Marx auf die Füße gestellt) und begeben uns gleich auf Feld 2:
Dort steht (siehe unten Notizfeld): adfraenaraf, adfranaraf, adfraenaru, adfranaru. Das ist im Englischen: to plough a second time. Wir fühlen uns ertappt, ist der anfängliche Text uns also nur passiert und nicht von uns und durch uns originell verursacht? Wie hatte das Walisische bereits wissen können, wie wir das Pfeld abstecken sollten (nämlich als Pferd von hinten aufzäumen, wie uns die Idiomatologie gerade noch zuflüstert zwischen Tür und Angel).
Adfraenaraf setzt sich, um endlich in verifizierten Linguistiken vorzudringen, zusammen aus dem Präfix „ad“, welches das Nomen braenar (auch: branar, brynar) zur Mutation bewegt. Braenar ist das gepflügte Land (ploughed land), das einem wie dieser Text reiche Ernten verspricht. Zugleich aber kann braenar auch das Brachland (fallow [land]) meinen. Die traurige Drohung eines gepflügten Wortfeldes, das nur noch überflogen wird. Auch dieser Text also sowohl gepflügtes als auch braches Land, als was es nun erscheint, das liegt ganz an der Gehschwindigkeit der Lesend*in: Unbeackertes, eben nur Überflogendes oder Durchpflügtes, zur Bestellung sich Darbietendes, Ernte bereits Antizipierendes.
Adfraenaraf hingen erlaubt die Assoziation zum Brachland eigentlich nicht. Das ist offensichtlich in der Tätigkeit des schlauen Bauerns wie in der Tatsache (zweitens), dass Sie diese Behauptung noch lesen. Denn wäre Ihnen alles Vorherige als Brachland erschienen, so hätten Sie uns doch längst den Rücken gekehrt (Achtung: Rückenkehren als Beweis von Kunst, denn Fluxus passiert erst, wenn wir ihm den Rücken zu drehen). Doch Sie schieben sich ja weiterhin durch den Text, reißen seine Oberfläche auf – ein zweites Mal. „ad“, jenes entbrachendes Präfix meint eben auch dieses zweite Mal (second, again, back). Dass es außerdem auch „sehr“ und „schlecht“ meinen kann, tut hier zur Sache, aber zur Sache schreiben wir ja ohnehin nie, daher PunktPunktPunkt.
PunktPunktPunkt bringt uns weiter, so schnell wie der Hase läuft und mutiert, geradezu vom Walischen cad zum mutierten gad (soft mutation) und wenn er sich wie die Schlange in den Schwanz beißt, dann von gad zu ad (fluxus mutation). Damit können wir das Pflügen über eine Beuys und Girlsreferenz in Fremdmythologien einbauen und uns absichern. Wir horchen in die Sprache hinein und zwar immer in eine Richtung, nämlich auf Fluxus zu. So wird gepflügt, auch beim zweiten Mal. Das ad macht diese Ansage, denn als Präfix meint es nicht nur ein zweites Mal, die Wiederholung, sondern auch eine Wiederholung in Richtung, hin zu, auf etwas zu (to, in the direction of, towards, facing (also fig.); up to, as far as).
Wir erkennen in dieser Rückbesinnung (ad = back, and again) auf die Anfänge – nicht nur dieser Ver-Ifiktion (die ja durch den Anlass des Rückpflugs sich dann auch erst kultivieren sollte), sondern der Ver-Ifiktion im Großen Ganzen General Leutnant Allgemein – Text also als durchpflügtes Feld, Schreiben als Pflügen, Lesen als Pflügen, Schreiben und Lesen als adfraenaraf – einem Pflügen in Richtung von etwas, zumeist Fluxus.
anchwanogaf
In diesem hin zu Fluxus wird das adfraenaraf zum anchwanogaf, anchwangogi. Und das natürlich nur über Umwege, wobei der Umweg eigentlich der festgetrampelte Pfad ist, der also, den schon viele begangen, der aber nur selten durchpflügt wurde. Dabei meint anchwanogaf selbstverständlich auch das Pflügen, allerdings eines der eher merkwürdigen Art, so merkwürdig, dass die Worte, die sich da im Wörterbuch gedruckt finden, unsere Sinne verwirrt. Denn wie ist das sich vorzustellen, dieses to cause (a plough), to cut a narrower furrow, incline (a plough) towards ploughed soil? Und warum sollte man das tun? Wir vermuten und liegen darin vermutlich genau richtig, dass das Wörterbuch mit dieser sekundären Bedeutung, wohl die primäre Bedeutung von anchwanogaf performt, lautet diese doch to become listless or careless. Wo wir listless wurden, war das Wörterbuch careless und causte doch gerade dadurch a plough, cuttete doch gerade dadurch a narrower furrow. Diese engere Furche ist die Unterscheidbarkeit Adornos, ist die Voraussetzung der Kritik und darin eben doch pflügen, zwar eines im Zustand oder aus Anlass von listless. Deshalb ist careless hier auch nicht zu verstehen als unsorgfältig oder gar gleichgültig, sondern eher als ein Leichtsinn, dessen Verwandtschaft zum Lichtsinn einst die Plessner‘schen Seesterne verifiziert hatten. Ein leichter Sinn führt den schweren Pflug, bummelt durch die Sinnschichten der Sprache und fertigt so leicht besonnen Sinn zu Tage, den andere unbekümmert haben fahren lassen.
amaethaf
Im nächsten Schritt, der zum vorherigen eigentlich der vorherige war, zeigte sich uns das Pflügen des Walisischen aber nicht nur als zugegeben brutalen Eingriff in verkrustetes und vielleicht brachliegendes Wissen, sondern als amaethaf. Der Bauer, der sein Feld bestellt, ist der husband der Natur (amaethaf = to farm, to plough, to cultivate, to husband). Amaethaf ein maethaf (to sustain, nourish, be nutritious, nurture, foster, breed, raise, cherish; also fig) mit Präfix. Pflügen ist gewissermaßen Götterdienst am Fluxus (to cherish), auch wenn uns die Haare zu Berge stehen, angesichts der patriarchalisch-kolonialen Konnotation zu My Fair Lady Attitüden des pädagogischen Kultivierens. Diese versalzen uns eigentlich auch das husband, zumal diese Bedeutung erst dem präfixierten amaethaf zugeschrieben wird, die Präfixierung mit a- aber gerade eine Affirmation ist. Mann nurtured damit nicht nur, sondern nutured sogar sehr viel und sehr stark – nämlich hin zu (ad-) der Kultiviertheit.
Amaethaf steht daher auch dem aradraf, aradru vor, das das Pflügen als Kultivieren meint und in sich bereits die Strategien des Patriarchats verrät, denn in aradraf steckt adra, adran = home. Das Präfix ar- drückt die Nähe aus – denn wir wissen, die am Herd gebundene Frau kennt nur die Nähe des Hauses, wohingegen das weite Feld nicht nur aus der Feder eines Mannes zum Tribut der Federn eines anderen Mannes stammt, sondern als Feldarbeit ein Abstecken der Minimalsektionen wäre, in der die Frau haushalten (to husband) dürfte. Wir sehen also, wie das genderdominierende Deutsch birgt auch das Walisische die Machtverhältnisse der Geschlechter, zu denen gerade in Bezug auf Mutationsverhalten von Wörtern noch mehr auszugraben wäre. Ein Pflügen hin zu Fluxus freilich schlingelt sich listless zum Offenlegen gewaltiger Kulturarbeit dieser Art. Fluxus erweist sich damit vielleicht als anhyar.
anhyar
Anhyar nämlich ist das Janusgesicht des Pflügens, ist die dialektische Kraft in den Tätigkeiten unserer Ahnen und Nachfolger. Anhyar bekennt sich über und mittels, vielleicht auch dank, der Vorsilbe einzig, ausschließlich und unbedingt zum Pflügen in seiner vielleicht wahren – uns zumindest unter dem Fluxusstern einzig wahr erscheinenden – Bedeutung. Diese ist eben auch wegen, dank, auf Grund der Vorsilbe die Verkomplizierung des Pflügens. An- anders als a- bestärkt nicht, sondern negiert. Das eine Negation freilich auch Bestärkung sein kann, tut hier zur Sache und wird daher bitte von Ihnen in die folgende Sätze mit hineingetragen. Anhyar ist die Antithese, ist jenes, das difficult or impossible to plough, inarable (für Landwirtschaft ungeeignet), untillable (tillable – anbaufähig, ackerbar), (arable – anbaufähig, kultivierbar, pflügbar, etc.) ist. Anhyar sind gewissermaßen die Sorgenkinder der Kultur und Kulturarbeit – sind also Kunst, sind Fluxus. Wie auch die Abdecker, Totengäber, Henkersknechte, Schinder und Racker (siehe „Im Deutschen Pflügen“), letztere dem Acker so nah und doch so feRn.
In seiner nicht-negierten, vorsilbenfreien, fluxusfernen Form kommt dem hyar neben der dem Wörterbuch nur sekundär erscheinenden ackerbaren und kultivierten Bedeutung (arable, even, level) primär Benimmregelfunktion zu: joyful, pleasant, gentle, mild. Kultur findet also nur im Flachen statt und unter mildem Klima, so dass es zur wohligen Liebeswürdigkeit einer Fair Lady reicht.
Wir sehen uns am Ende dem Anfang gegenüber. Wir selbst aber sind andere als noch zu Beginn, der ein sauberer Einstieg in die erdverbundene Materie war. Doch kaum hatten wir das Pferd von hinten abgezäumt, verloren wir die Richtung zu auf aus dem Blick. Das also passiert, wenn die Zeit aus den Furchen gerät: Wir verdrehen uns entweder den Nacken oder die Tatsachen. Das eine führe zu Verifikationen, das andere pflüge zu Verifiktionen. Vielleicht wollen Sie es einmal selbst probieren? Wir überlassen Ihnen unseren Bastelkasten gerne. Spielen Sie mit im Zeichen der Deutsch-Walisischen Freundschaft, der die Sprache nicht Waffe, sondern Pflugschar ist.
agor cefn
Endlich gehen wir zum Anfang, der uns nun im Rückblick schon hatte vorblicken lassen auf das, was ihm gefolgt war. Denn unsere erste Furche ins Pflügen war agor cefn. Wir müssen gestehen, dass dieser erste Ansatz uns elektrifizierte, denn agor und cefn gehören zu jenem Wortschatz, der einem bereits in den Sprachkursen für absolute Beginners verabreicht wird, als wären die Tutoren alle Fluxuskünstler. So wusste ich sofort, es ging hier ums Öffnen – dem Öffnen der Sprache etwa? Cefn wird einem als Rücken – leider nur als schmerzender – vermittelt (Mae gen i boen cefn.) Und wissen wir nicht aus zahlreichen Beispielen, Fluxus findet erst statt, wenn wir ihm den Rücken zugedreht haben? Pflügen ist also ein Öffnen des Rückens zum Fluxus? All das Durchwühlen vom Ende her hätten wir uns also sparen können, denn agor cefn (to plough the first furrow in a field) birgt bereits das Wissen, um das herum wir uns epistemisch schufteten und um das herum auch Sie – in zähster Gehschwindigkeit – sich wickelten, verehrte Leser. Doch wir wollen nicht zu vorschnell Urteilen, denn agor cefn ist doch auch ein Imperativ, denn es meint nur die erste Furche, will aber das ganze Feld. Das sehen wir – Sie, ich und die anderen – nun tatsächlich offen vor uns liegen. Das Pflügen dieses Feldes war eine Drecksarbeit, und hat uns gelehrt: die Lichtung der Sprache (Vorsicht: Heidegga) verlangt das Rackern. Diese Tätigkeit wiederum konnten wir nur im Rackern lichten als die Tätigkeit zum kindlichen Streich, die Praxis des Schlingels. Schlingeln auch Sie. Wie oft haben wir im Namen der Deutsch-walisischen Freundschaft nicht schon bereits verlaut Gebaren: Jede Schlinge ein Sieg.
Bastelkasten zum Mitspielen und zum Mit Spielen
agor[1] cefn[2]: to plough the first furrow in a field
amaethaf[3], amaethu, amaetha - to farm, to plough, to cultivate, to husband – bewahren, haushalten, sparsam umgehen, einen Ehemann finden
anchwanogaf, anchwangogi[4] – a.) to become listless or careless b.) to cause (a plough), to cut a narrower furrow, incline (a plough) towards ploughed soil
anhyar[5] – difficult or impossible to plough, inarable (für Landwirtschaft ungeeignet), untillable (tillable – anbaufähig, ackerbar), (arable – anbaufähig, kultivierbar, pflügbar, etc.)
aradraf, aradru (ar + adra[6]?) – to plough, till, cultivate, also fig.
arddaf, aredig[7], eredig, erddi - to plough, to open (furrow), to till, cultivate, also fig.
atgoraf[8], atgor, atgori – to plough, to furrow (= pflügen, furchen)
furrow = Furche, Rille, Stirnfalte, Ackerfurche, Bodenfalte, Nut
Störsignale aus dem Englischen
to plough a lonely furrow – allein auf weiter Flur stehen; die Deutsch-Walisische Freundschaft aber verlangt: to plough alongside a fellow – Fluxus leben
Nomen: ploughman
amaeth
amaethwr
aradwr
arwr (pl. arwyr), auch: aradwr, arrdwr
cwyswr
erydd (von araf[9]: aru + ydd)
[1] agor, agoraf – to open[2] cefn – 1. back; fig. support, second; 2. ridge; butt of ploughed land between two parallel furrows; opening furrows of such a butt; bibl. furlong; vertical fissure or fault rock; 3. middle, centre[3] maethaf, maethu – to sustain, nourish, be nutritious, nurture, foster, breed, raise, cherich; also fig.[4] chwanogaf, chwanogi – a.) to desire, crave, become ambitious b.) to regulate a plough so as to incline it towards the unploughed soil and so cut a wider or deeper furrow[5] hyar: 1. joyful;, pleasant, gentle, mild 2. arable, even, level – abe anhyar hat nur die Agrarbedeutung[6] adran (= ad+rhan) – division, section, department, subdivision; sectionadref (anh+tref) – homewards, home, at home[7] Hier haben wir einen Suffix vor uns – edig; -iedig zur Adjektivierung. Damit könnte „ar“ entweder ein Prefix sein (wir haben also eine Kombination aus Prefix und Suffix und das dazwischen ist die Imagination; oder aber „ar“ kommt vom Englischen „are“ (die Messeinheit „Ar“) als prefix: oben, auf, über, drauf; âr (verwand mit araf, siehe unten): ploughed or arable land, tilth, tillage, a ploughing, earth (sometimes of the grave)[8] goraf, gora – 1. to brood, sit (of hen etc.), hatch (ausbrüten); 2. to fester (eitern, verfaulen, gären, verwesen); könnte auch von gorau kommen: am besten[9] araf – 1. slow, gradual, tedious, tiresome – aber 2. araf = aru = âr – to plough, till, cultivate; 3. araf von arf – weapon, arm
Im Sumerischen pfündig werden
Die Neue Walisische Kunst hat so einiges aufgebaut und fragt sich nun, ob es eine Aufbauorganisation noch braucht. NWK AO ist uns allerdings sehr ins Herz gewachsen, als hätten wir am Ende den Temennu nicht auf weitem Felde gesetzt, sondern in unseren Kopf. Die Vermutung liegt nahe, wo doch jeder Stein des Anstoßes und Grundes eine Kopfgeburt sein muss. Köpfe werden auch im Fluxus vom Herzen mit Denkflüssigkeit umsorgt. Um-sorgt, weil Kreisverkehr, aus dessen Mitte der Fluxus entspringt hinein ins Herz, dass in der Peripherie des Körpers liegt. Gründungssteine sind daher immer Außenmauern. Durch unsere gingen zahlreiche Türen, Fluchttüren, die sich nach außen öffnen, denn nur dort ist ein Überleben der Kunst möglich.
Temennu, um das den google-verdutzten noch abzunehmen ist der sumerisch-akkadische Begriff für den heiligen Gründungsstein. Gründungssteine bleiben zumeist liegen, es sei denn sie sind fluxusheilig, dann sind sie des Anstoßes und des Anstoßes wert und des Anstoßes Wert, sprich nomadisch. Kein Wunder also, dass wir Steine im Herzen tragen, Temennu des Fluxus verbauen uns die Sicht, erfordern footloose Fluxusarbeit, also Perspektivverschiebung. Temennu stammt übrigens vom Walisischen, wo es als Tomennu geführt wird und natürlich nicht ein Substantiv beschreibt, sondern ein Verb, also eine Aktivität. Sie, als treue lesende Post-Person, kennen inzwischen die -u Endung des Walisischen als Verbauszeichnung. U wie das Hufeisen zum Glück, denn der fluxurierende Waliser ist der Glück seines Schmiedes (dazu bald hoffentlich mehr).
Tomennu also eine Aktivität – und zwar eine der Perspektivverschiebung, das sei hier bereits verkündet, sollte ich es eventuell im Laufe des Geflechts wieder zu erwähnen vergessen, was mir ja offenbar doch häufiger unterläuft. Tomennu ist gewissermaßen der Temennu der NWK AO, denn tomen ist der Haufen. Tomennu ist das Häufen. In beiden Fällen ist natürlich an einen Misthaufen zu denken, nicht nur wegen Dieter Roth, den ich in den letzten Wochen vielleicht zu oft durch meine Stimmbänder gestoßen habe, sondern auch aus der eigenen Geschichte heraus abgegründet. Wir sind uns selber Material und deshalb der Misthaufen. Der Misthaufen ist aber auch das Deshalb des Deshalb. Denn Mist ist zuhauf Eigenmaterial. Tomen damit zugleich sich selber Material, als auch Material der NWK AO. Ja, der tomen der NWK – und das erkennen wir jetzt er rückblickend, dank des Fehlstarts ins Sumerische, das wir gleich noch, nach diesem Gedanken als das Summerische missverstehen wollen –, der tomen der NWK war uns Gründungsanstoß für kreditwürdiges Verhalten als NW Bank. Zwar ging es uns darum, sauberes Material so anzulegen, dass es dreckig gewurmt werden könnte, doch schauen wir jetzt auf die Kontoauszüge, erkennen wir, dass wir ordentlich Zinsen eingeheimst haben. Ja, dass Sumerische konnte sich ein weiteres „M“ leisten, und wurde zum Summerischen. Das ist uns wiederum Material, Zwischensumme zu ziehen. Es ist also dieses Ziehen, was wir vor wenigen Minuten in unserem Herzen gespürt hatten und als Redebürfnis den Anstoß zu, auf, von, in und aus diesem Text gegeben hatte. Kunst kommt also mit Rendite, die direkt ausgezahlt wird. Nun gut, sehen Sie das als gebührenfreien Anlagetipp, verwechseln Sie aber gebührenfrei nicht mit kostenlos, denn NWK kommt oft teuer zu stehen. Wir können uns die NWK nur leisten, weil wir unsere Angestellten mit ihrer eigenen Arbeit entlohnen: der Mistwurm braucht nichts weiter als die Scheißarbeit, die der tomen ihm zuhauf gleich doppelt buchstäblich bietet.
Postskriptum:
Eigentlich hatte ich über das „ff“ in Begriff und Saffaru (u-Endung) und Metamorffosis sprechen wollen. Richtig, sprechen. Denn ich tippe, wie mir der Mund ins Gesicht gewachsen ist als direkter Echoraum der Stimmbänder. Von denen haben wir bekannterweise zwei, was Sie mir und mich Ihnen gleich macht mit dem „ff“, den Stimmbändern der Sprache, denen ich hier in diesem Text eigentlich hatte zuhören wollen. Aber ich hatte mal wieder am ffalschen Ort mein Sprungbein angesetzt und bin übel überstürzt vor der Peinlichkeit geflohen, meinen Fehler zuzugeben. Damit ergab sich ein Anfang aus der Chance des Scheiterns. Chance nämlich ist Zufall (auch dazu bald mehr – siehe hap und happening) und beides ein Anfangen im Sinne von Hannah Arendt (Vita Activa) – und daher Glutkern der Revolution. Mein Anfang also eine Flucht, aber eine, die wie wir sehen nomadische Perspektivverschiebung brachte, eine, die wir uns auch vom Trachten des „ff“ erhofft hatten (ja, richtig „Hoffen“ sind die Stimmbänder der Seele). Es ist also alles wieder gut ausgegangen. Und das ist doch ein ffantastischer Temennu für den nächsten Anfang.
Vorher noch ein Betthupferl: Christophs Schwingen sind schief.
Verifiktion – Weit weg vom Anfang, der seinen Grund in der Zukunft sah, die aber nicht unsere Gegenwart sein kann. Müssen wir erneut aufbrechen?
Wir haben gemeinsam so viel erlebt und überbieten uns an Erfahrungen noch heute. Die Sprache hinkt mittlerweile hinterher, wir haben sie zu überholen versucht und es ist uns gelungent. Die Vorsilben erscheinen immer öfter nachrangig, ihr Atem sitzt uns zunehmend im Nacken. Doch ihr Rückenwind beschleunigt uns kaum noch, und wir zentrifugieren bereits so rasch, dass wir alles schon wieder unter Kontrolle haben.
Unser Denken findet vermehrt woanders statt und schafft es kaum noch seiner Herkunft zu gedenken, der Ruf ist etabliert und so schreien wir zwar auf vollbetippte Seiten, die gähnen uns aber ins Leere zurück. Wir haben allerhand erzählt und uns kräftig verrechnet, Milchtüten voller Elefantenglück. Zuletzt trafen wir unser Wappentier, zum ersten Mal in dem Land des roten Drachens: Der Igel war so verschreckt, seinen Jüngern ins menschliche Gesicht blicken zu müssen, dass er so erstarrte, dass er nur noch Blick war, Anblick gar – von Dür‘schem Format. Der Igel im Schrecken vor dem Zerrspiegel seines eigenen Witzes verwandelte sich, um zu sich selbst zurückzukehren.
Wir lesen das als Zeichen eines Abschlusses im Kafka’schen Sinne: Verwandlung als Befreiung. Die Verifiktionen und Ver-Ifiktionen wollen weder fliegender Holländer noch Hase noch Igel sein. Bug wollen wir sein und doch eher Glitsch. Glitsch im Format und Bug im Ausmaß – so wären wir Fluxus, dem wir ungläubig und der Sprache weiterhin zweifelnd vertrauend von der Galerie ins Gesicht blicken wollen.
Kommen Sie mit, die Manege ist frei und das Ticket erhalten Sie in Bälde hier.
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